Im Mittelpunkt des Kinder- und Familienzentrums stehen die Kinder, für die das Team des KiFaZ, die Familien und der Sozialraum gemeinsam bestmögliche Aufwachsbedingungen schaffen wollen. Pädagoginnen und Pädagogen fragen sich dabei oft, wie Partizipation und Beteiligung von Kindern im KiFaZ-Alltag aussehen kann: Was können wir Kindern zutrauen? Wie können wir sie dabei unterstützen, sich in andere hineinzuversetzen, kooperativ zu sein und gleichzeitig ihre eigene Meinung zu vertreten? Wie unterstützen wir Kinder dabei, Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und Selbstwirksamkeit zu erfahren? Wie kann mit Konflikten umgegangen werden?

Im Qualitätsrahmen des Landes Baden-Württemberg für Kindertageseinrichtungen, die sich zu einem Kinder- und Familienzentrum weiterentwickeln, ist formuliert, dass das gesamte Team eine Willkommenskultur lebt, die auf einer wertschätzenden, inklusionsorientierten und partizipativen Haltung beruht.

Pflicht zur Beteiligung

Beteiligung ist kein freiwilliges Angebot, das Erwachsene Kindern nach Lust und Laune ermöglichen. Auch das Sozialgesetzbuch VIII, Landesgesetze, die Bildungspläne der Länder und die UN-Kinderrechtskonvention legen fest: Kinder bestimmen mit! Der Artikel 12 regelt, dass der Wille eines Kindes durch angemessene Mitsprache zu berücksichtigen ist. Kinder haben auch das Recht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 13). Mit dieser Pflicht ist verbunden, Kinder über ihre Rechte aufzuklären und ihnen Räume zu eröffnen, in denen sie diese Rechte anwenden, ausprobieren und umsetzen können.

Demokratie und Beteiligung im KiFaZ-Alltag

Die frühe Kindheit ist eine intensive Lern- und Entwicklungszeit, auch in Sachen Demokratielernen. Dabei findet Demokratie im Alltag statt. Kinder brauchen früh das Erleben von Anerkennung, Teilhabe und Mitbestimmung, konstruktiver Streitkultur sowie interkulturellem und tolerantem Miteinander, z. B. bei einem interkulturellen Frühstück für die ganze Familie im KiFaZ, der Vorlesestunde des arabischen Vaters oder dem auf Wunsch der Kinder stattfindenden Nachmittag mit der benachbarten Schreinerin. Die Erfahrung, dass sie als Kinder etwas zu sagen haben, gleichberechtigter Umgang und soziale Wertschätzung sind die Basis, um in autonomer und vielfältiger Weise auch zukünftig an demokratischen Prozessen zu partizipieren.

Die pädagogische Herausforderung, Beteiligung zu (er-)leben ist umso größer, je jünger die Kinder sind. Kinder erwerben demokratische Handlungskompetenzen, indem sie (Be-) Achtung erfahren und ihrem Entwicklungsstand entsprechend an der Gestaltung ihres Alltags beteiligt werden. So können Kinder schon früh selbst entscheiden, was und wieviel sie essen möchten, wo und mit wem sie spielen wollen.

Bastelsachen
Bild: Sigmund (Unsplash)

Später kommen Entscheidungen über den KiFaZ-Alltag (z. B. gemeinsames Erarbeiten von Regeln, Gestaltung von Räumen), aber auch die Planung von Projekten und Ausflügen hinzu. Abstimmung mit Muggelsteinen oder Kastanien, durch bebilderte Strichlisten oder ein Aufstellen im Raum sind einige Möglichkeiten, um schon die Jüngsten mitentscheiden zu lassen. Strukturierte Kinderkonferenzen oder simple Quasselrunden bieten den Kindern außerdem Gelegenheit, ihre eigenen Wünsche und Gedanken auszudrücken, sei es verbal oder in Form von Zeichnungen oder Collagen.

Für mich steht das Kind im Mittelpunkt.
Teilnehmerin eines Netzwerktreffens

Kinder wollen sich beteiligen

Die Studie „Qualität aus Kindersicht“ zeigt, wie wichtig es Kindern ist, Entscheidungen über ihren Alltag selbst treffen zu können und in ihren Selbstbestimmungsrechten ernstgenommen und anerkannt zu werden. Sie erleben und gestalten mit großer Begeisterung Situationen, die ihnen die Möglichkeit bieten, ihr Können auszuprobieren, zu üben und sich zu messen – allein, innerhalb der Peergroup oder im Kontakt mit Erwachsenen. Das fördert die Selbstwirksamkeit und stärkt das Selbstbewusstsein der Kinder. Weiter zeigt die Studie, dass Kinder gern Gemeinschaft und Zusammenhalt erleben, sie schätzen wiederkehrende, gemeinschaftsbildende und -sichernde Rituale. Sie möchten gern an deren Ausgestaltung mitwirken und selbst entscheiden, wie und in welcher Form sie sich daran beteiligen.

Methoden zur gemeinsamen Gestaltung im KiFaZ

Kinder können gut in die Planung und Ausgestaltung der Angebote eines Kinder- und Familienzentrums eingebunden werden: So können sie zum Beispiel im Morgenkreis oder anderen Runden ihre Wünsche zu Aktivitäten mit ihren Familien äußern. Anschließend werden die Vorschläge an einer Wand für alle sichtbar gemacht und die Kinder (und Erwachsenen) können mit Hilfe von Klebepunkten, aber auch bunten Steinen oder Bällen ihre Favoriten kenntlich machen. Ein Wunschbriefkasten, gut sichtbar aufgehängt an einem zentralen Ort erinnert Kinder (und ihre Eltern) daran, neue Ideen für gemeinsame Aktivitäten vorzuschlagen.

Die Rolle der Erwachsenen

Beteiligung braucht Erwachsene, die sich auf das Demokratie-Erleben mit Kindern einlassen. Das Kinder- und Familienzentrum ist dabei ein idealer Lernraum für sie, sich mit den Voraussetzungen und Herausforderungen partizipativer Erziehung von Kindern auseinanderzusetzen.

Durch kollegialen fachlichen Austausch und in der Diskussion mit Eltern zu Fragen der Mitbestimmung und Partizipation von Kindern erhalten die Erwachsenen die Chance, ihre persönliche Haltung zu reflektieren und durch mehr Beteiligung den KiFaZ-Alltag zu bereichern.

Damit Kinder- und Familienzentren Lern- und Lebensorte der Demokratie und Beteiligung werden, braucht es zuerst verantwortliche Erwachsene. Es braucht die Achtung gegenüber Kindern, Kompetenzen die Themen der Kinder zu erfassen, die Fähigkeiten den Alltag im KiFaZ so zu gestalten, dass dieser sich am Entwicklungsstand der Kinder orientiert. Erwachsene sollten bereit sein, Macht abzugeben und immer wieder ihre eigene Rolle zu reflektieren. Und zu guter Letzt braucht es Mut und Geduld, in kleinen Schritten mehr Beteiligung im Kinder- und Familienzentrum zu leben, dabei auch aus Fehlern zu lernen und immer wieder Neues zu wagen.

KiFaZe sind Lernorte der Demokratie, sie spiegeln eine offene Gesellschaft wider.
Referentin bei einem Netzwerktreffen

Reflexionsfragen

  • Welche Möglichkeiten haben die Kinder bei uns, ihre Perspektiven mitzuteilen? In welcher Weise werden diese aufgegriffen und ernst genommen?
  • Gibt es genügend Anlässe für Kinder, sich zu beteiligen?
  • Dürfen die Kinder selbst Regeln aufstellen?